„Intelligenz“ steht für die Fähigkeit eines Menschen, seine kognitiven und geistigen Fertigkeiten zur Lösung von Problemen einzusetzen, die logischer oder sprachlicher Natur sind und/oder von sinnlichen Wahrnehmungen hervorgerufen werden. Eine umfassende Definition von Intelligenz ist nicht möglich. Kognitive und mentale Fähigkeiten sind nämlich nicht nur schwer zu bestimmen, sondern auch schwer voneinander abzugrenzen.
Intelligenz wird im Rahmen der Allgemeinen (auch: kognitiven) Psychologie unter dem Gesichtspunkt der Informationsverarbeitung erforscht. Sie ist aber auch Thema der Differentiellen Psychologie, die zum Beispiel mit Intelligenzdiagnostik und Kreativität befasst ist und der Neuropsychologie.
Wenn wir Menschen als intelligent bezeichnen, dann wollen wir sagen, dass er oder sie in hohem Maße über die kognitiven und geistigen Fähigkeiten verfügt, Probleme zu lösen.
Von Klugheit sprechen wir korrekt nur in Handlungszusammenhängen. Streng genommen gibt es keine klugen Menschen, sondern nur klug handelnde Menschen.
Schon Aristoteles definierte Klugheit als „eine bestimmte Begabung zur Orientierung eigenen und fremden Handelns“. [1] In diesem Sinne zählt Klugheit (griechisch phrónesis, lateinisch: prudentia) schon in der Antike zum Kreis der vier Kardinaltugenden. Diese bezeichnen jene vier Angelpunkte (cardines), die ein Handeln ermöglichen, das als gut empfunden wird, weil es im Umgang mit anderen Menschen umsichtig und verantwortungsvoll ist. [2] In Verbindung mit den drei anderen Kardinaltugenden Gerechtigkeit (iustitia), Tapferkeit (fortitudo) und Mäßigung (temperantia) zielt die Klugheit auf das „gute Leben im Ganzen“. [3]
Nach der grundlegenden Definition des Aristoteles ist Klugheit dabei weder eine Wissenschaft noch eine Handlungsweise, sondern eine handlungsbestimmende Haltung eines Menschen. [4]
Klugheit ist gesellschaftlich vermittelt und in diesem Sinne ein zentrales Thema der praktischen Philosophie oder Ethik, die auf das Handeln des Einzelnen in der Gesellschaft bezogenen ist und sich mit dieser in ihrer Gesamtheit befasst.
Wenn wir jemanden als klug bezeichnen, dann drücken wir damit aus, dass dieser Mensch im Hinblick auf das Ziel einer Handlung erfolgreich ist und dabei mit anderen umsichtig und verantwortungsvoll umgeht.
Aus dem hier Dargelegten wird klar: Intelligenz ist eine kognitive und mentale Fähigkeit, Klugheit eine handlungsbezogene Haltung (Tugend). Das machen wir uns aber häufig nicht klar. Für viele von uns erscheint Klugheit als Summe kognitiver und mentaler Prozesse, die auch unser Handeln bestimmen. Sie verstehen Klugheit dabei als ein Phänomen der Psychologie, obwohl sie doch eigentlich ein Thema der Ethik ist. Manche gehen noch weiter und machen Klugheit zum Sammelbegriff für unser theoretisches und praktisches Wissens. Dafür gibt es allerdings schon wieder einen anderen Begriff: Weisheit (sapientia). Aber das ist ein anderes Thema.
Wenn ein Mensch intelligent ist, heißt das noch lange nicht, dass er oder sie auch klug ist (oder anders – und genauer – ausgedrückt: immer klug handelt). Mit Intelligenz befasst sich die Psychologie, Klugheit ist Thema der praktischen Philosophie/Ethik.
Symbol der Klugheit ist von alters her die Eule der Minerva.
[1] Aristoteles: Nikomachische Ethik, VI.5,1140a25. – [2] Zur Bestimmung der vier Tugenden z.B. Platon: Politeia (Der Staat) IV,427c-428b;; Cicero: De officiis (Vom pflichtgemäßen Handeln), I.5(15); De inventione (Über die Auffindung des Stoffes), II.53f. u. 160. – [3] Aristoteles: Nikomachische Ethik VI.5, 1140a27f. – [4] Ebd.
Markus Bühner: Mythos IQ (veröffentlicht 01.07.2019), online abrufbar: https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2019/buehner_iq.html. – Franz Wiedmann, Gerhard Biller: Klugheit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Herausgegeben von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 4., Sp. 857-863. – Karl-Hermann Wewetzer: Intelligenz, Intelligentsia, Intellektueller, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Herausgegeben von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 4., Sp. 445-461. – Karl-Hermann Wewetzer: Intelligenz und Intelligenzmessung. Ein kritischer Überblick zu Theorie und Methode. 2. Auflage. Darmstadt 1984.